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Dachau-Demeter-Weleda

Erschienen in Das Goetheanum, 25. November 2025

von PETER SELG | 12/16/2025

Historische Studien und geschichtliche Wirklichkeit
‹Ökoprodukte für Nazis›, so hat das Nachrichtenmagazin ‹Der Spiegel› einen Artikel in seiner Ausgabe vom 5. September 2025 überschrieben. Im Untertitel heißt es: «Im Konzentrationslager Dachau experimentierte die SS mit anthroposophischen Methoden und Mitteln – unter Einsatz von Zwangsarbeit. Auch die Naturkosmetikfirma Weleda spielte dabei eine Rolle.» Fotografien von Rudolf Steiner und Margarete Himmler, der Ehefrau des SS-Chefs, waren zu sehen, sodann ein Logo der Weleda, Sigmund Rascher und ein anderer SS-Arzt bei Menschenversuchen an KZ-Häftlingen in Dachau, Fotos von Häftlingen bei der Zwangsarbeit, von Gebäuden des Dachauer SS-Betriebes der Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung (DVA) – und ein Bild der Historikerin Anne Sudrow. Die Reportage diente als werbewirksame Vorankündigung zu ihrem Buch ‹Heil Kräuter Kulturen. Die SS, die ökologische Landwirtschaft und die Naturheilkunde im KZ Dachau›, das wenige Wochen später beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen erschien und dem Nachrichtenmagazin vorab zugänglich gemacht worden war.

Ein «Netzwerk von AnthroposophInnen in der SS»?
In seinem Artikel referiert der ‹Spiegel›-Autor Stefan Hunglingern aus der Monografie, geht aber auch mit der Historikerin über das Gelände der ehemaligen DVA-Anlage. Er betont mit ihr, dass es innerhalb der SS ein aktives «Netzwerk von AnthroposophInnen» gegeben habe, bestehend aus biologisch-dynamischen Landwirten, Gärtnern und einem SS-Arzt (Sigmund Rascher), die im Kontext des KZ Dachau nicht Opfer, sondern Täter gewesen seien und eigene Interessen verfolgt hätten. Basierend auf den vermeintlichen Forschungen des «Hellsehers» Steiner seien bereits in den 1920er-Jahren profitable anthroposophische Unternehmen entstanden (darunter der Arzneimittelhersteller Weleda); insbesondere die biologisch-dynamische Landwirtschaft habe dann in der Nazi-Zeit die besondere Förderung der SS erfahren, namentlich als Instrument zur Bewirtschaftung des neuen «Lebensraumes» nach den Eroberungen in Osteuropa im Zuge des Zweiten Weltkriegs. Im DVA-Betrieb der SS in Dachau hätten der ehemalige Chefgärtner der Weleda, Franz Lippert, und ein weiterer Gärtnerkollege der Weleda, Erich Werner, botanische Studien auf dem riesigen, von Häftlingen bewirtschafteten Areal durchgeführt; Lippert sei dabei ebenso wie der SS-Arzt Rascher, der grausame Menschenversuche (Unterdruck und Kälte) im Versuchsblock 5 des KZ machte, mit der Weleda verbunden gewesen. Das damals agierende anthroposophische «Netzwerk» innerhalb der SS sei bis heute gezielt «verschleiert» worden; Konsumenten von Demeter- oder Weleda-Produkten sollten sich, so Hunglingern und Sudrow, bewusst sein, welche menschenverachtende Förderung deren Herstellern vor nicht langer Zeit zuteilgeworden sei und welche Kollaboration mit dem NS- und SS-Gewaltstaat den moralisch belasteten Erzeugnissen zugrunde liege. Lässt man sich, so die implizite ‹Spiegel›-Aussage, mit Demeter oder der Weleda ein, so wird man zum späten Nutznießer der NS-Konzentrationslager, der Arbeitskraft, des Blutes und der Asche unschuldiger Menschen.

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