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Wie begegnest du der Zeit?

Zwei Berichte von den Treffen der "Jungen Anthroposophen Norddeutschland" (JAN).

von Johann Schmiedehausen | 02/10/2022
Clemens von Schwanenflügel zu Gast | Foto: J. Winkler

Demokratie, Tanz und Wörmes Ländlichkeit

Bericht in Gedichtform vom JAN-Treffen im Januar 2022

 

Ich möchte gerne von unserem fünften JAN-Treffen berichten.

Es war das erste Treffen für mich, die vorherigen musst´ ich verzichten. 

Obwohl ich in einem anthroposophischen Umfeld aufgewachsen bin,

nehme ich dieses Treffen nicht als Selbstverständlichkeit hin. 

Mein Interesse für die Anthroposophie konnt´ ich bisher nur mit wenigen teilen

und so war ich berührt von den jungen Menschen, die anreisten, trotz vieler Meilen. 

 

Von besonderer Bedeutung war eine lebendige Zeitgestaltung,

denn Inhalt, Bewegung und Kunst kamen gleichermaßen zur Entfaltung!

In einem Gespräch konnten wir auf die vier Wesensglieder eingehen

und hörten auch von vielen Krankheiten, die entstehen,

wenn Denken, Fühlen und Wollen auseinanderstreben

und nicht in Harmonie gebracht in uns leben.

 

Auf diese Einheit anthroposophischer Themen

folgten ausgiebige tänzerische Szenen,

eine konzentrierte zeichnerische Wahrnehmungsübung

sowie ein Wachwerden in gegenseitiger körperlicher Berührung.

Selbstverständlich nahm man sich zwischendrin

auch gerne ein Stück Kuchen oder legte sich am Ofen hin.

 

Ein weiteres inhaltliches Thema war die Demokratie:

Ist sie noch zeitgemäß? Wie erleben wir sie?

Es wurde deutlich, dass ganz neue Voraussetzungen geschaffen werden müssen,

und jede Minderheit toleriert und integriert werden soll bei Entschlüssen.

Wichtig war uns auch die Frage, ob ein Mensch wohl seine ursprünglichen Werte verliert,

sobald er in eine höhere Position kommt und seine Macht realisiert.

 

Bei einem abschließenden Rückblick im Kreis

gab schließlich jeder noch von seinen Anliegen preis.

So wurde geäußert, dass ein Interesse an intensiverer anthroposophischer Arbeit besteht,

die auch am nächsten Tag noch weiter geht.

Außerdem ist uns wichtig, neue Teilnehmer zu gewinnen,

um möglichst viele junge Menschen in Berührung mit der Anthroposophie zu bringen.

 

Für mich persönlich gehörte zu den ganz besonderen Momenten das Singen,

denn dabei konnten Leib, Seele und Geist vereint in mir erklingen.

Voller Vorfreude blicke ich auf die nächsten Treffen in Wörmes Ländlichkeit,

denn dieser Ort hält noch viele Begegnungen in seinem Herzen bereit.

 

Von Elisa | Teilnehmerin der Jan-Treffen

 


 

„Wie begegnest du der Zeit?“

Tagungsbericht vom Herbsttreffen der JAN

 

Zeit sei wie das Licht: Sie benötige etwas, woran sie sich abbilden könne, bemerkte jemand.

Der Ort des Treffens ist wunderschön. Als ich mit meiner Hannoveraner Reisebegleitung aus dem Regionalzug stieg, entfuhr ihr ein „es riecht nach Sandboden und Kiefernwäldern!“ Wir trafen uns am Rande der Lüneburger Heide in einem hergerichteten Schafstall, gelegen auf einer kleinen Lichtung umschlossen von Birken und Kiefern, wenige Meter von den Bahngleisen entfernt. Strom und fließend Wasser? Fehlanzeige. Eine Pumpe und Kerzen halfen hier weiter, dazu Feuerholz aus der direkten Umgebung. Essen sowie vielstimmiger Gesang bildeten den Rahmen unserer Tagung.

Für dieses vierte Treffen der „JAN“ (Junge Anthroposophen Norddeutschland) hatten wir uns ein ganzes Wochenende Zeit genommen. Genau darum sollte es auch gehen: Zeit. Wir hatten den Demeter-Landwirt Clemens von Schwanenflügel gebeten, mit uns zu diesem Thema zu arbeiten.

„Was ist Zeit für dich? Wie begegnest du ihr?“ Mit dieser Frage eröffnete er die Runde, auf dass wir uns zunächst selbst die Frage stellten. Ich schrieb nieder: „Zeit ist für mich ein Wesen, dass sich einem zur Verfügung stellt in dem Maße, in dem ich es in wohlwollendes Bewusstsein nehme.“ Ich hatte mich im ersten Studienjahr Eurythmie bereits damit befasst, dass Zeit nicht das pedantisch-mechanische Ticken meiner Taschenuhr ist. Aber in welchem Zusammenhang steht dieses Zeit-Wesen zu mir?

Meine Taschenuhr spiegelt ein Abstraktum, Ergebnis analytischen Betrachtens kosmisch-lebendiger Zusammenhänge. Uhr-Zeit ist eine notwendige Voraussetzung für das Zusammenleben, wie wir es heute pflegen. Doch Analyse und Statistik bringen uns heute dazu, alle paar Jahre unsere Zeitrechnung den Sternen anzugleichen. Ganz früher hatte der Tag wohl einmal zwölf Stunden – und die waren im Winter eben „kürzer“ als im Sommer…

Clemens ließ uns, ausgehend von der Selbstbeantwortung der Fragen, in offene und ausladende Gesprächsrunden finden und lenkte dabei zurückhaltend und ohne vorbestimmtes Gesprächsziel. So sprachen wir über Takt-Zeit, Rhythmus und die verlaufende Zeit, über Zeitspannen: Jahrsiebte, Generationen und platonische Weltenmonate – anthroposophisch „Kulturepochen“.

Die religiösen Feste brachten uns zu unserem Zeitmanagement: Wer bestimmt unsere Zeit? Wie nehmen wir uns Zeit für uns selbst? Der Tenor der Antworten sprach ganz vom Gegenteil eines Rhythmus in dieser Sache, man nehme sich seine Zeit des Innehaltens eben nach Bedarf.

Zwei Fragen nahm ich aus dem Gespräch mit: „Bewegt sich Zeit?“ und „Sind Vergangenheit und Zukunft Teil von Zeit?“ Die zweite Frage ist Teilantwort auf die erste, so vermute ich. Umfasste dieses Zeit-Wesen die gesamte Weltenentwicklung, dann wäre es wahrhaft mächtig; wenn die Zeit aber nur das Jetzt wäre, woher rühren dann die Rhythmen des Kosmos? Ich werde der Frage im Studium weiter nachgehen. Einen Antwortteil wird der Eurythmieschleier für mich bereithalten, dessen bin ich gewiss – aber er kommt in Witten erst im dritten Ausbildungsjahr hinzu. Gemäß der Orphiker ist Aither (Element allen Lebens) Sohn von Chronos (Zeitgott) und Ananke (Schicksalsgöttin) – meine Begriffe dieser Wesenheiten reichen mir noch nicht zu einem schlüssigen Bilde als Antwort zur Frage.

Zeit sei wie das Licht: sie brauchte etwas, woran sie sich abbilden könne, bemerkte jemand. Mit diesem Licht-Zeit-Vergleich scheint es mir leichter, meine Beziehung zum Zeit-Wesen zu fassen. Es zeichnet sich das Bild, dass ich das Zeitwesen wohl sehr ähnlich dem Lichtwesen in mir aufnehmen könne, mit ihm in der Welt wirken könne. Daran möchte ich mich gern üben, wenn ich doch auch schon Tag für Tag mit dem Lichtwesen so verfahre.

Für mich dehnte sich die kurze Zeit der knapp vierundvierzig Stunden zu einem wärmenden Erlebnis, dessen Bewegungen mich noch zwei Wochen später begleiteten. Welch wundersames Weben von Zeit…

Das nächste Treffen werden wir witterungsbedingt nicht im Schafstall abhalten können. Doch die Gruppe hat diesen Ort schon in ihr Herz geschlossen und freut sich darauf, den Lauf der Jahreszeiten an ihm zu beobachten.

 

Johann-Ephraim Schmiedehausen | Mitorganisator der JAN-Treffen

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