Das erste überregionale Michaelfest ist gelungen
Über einen spirituellen Sozial-Kunst-Prozess

Auf Einladung der Deutschen Landesgesellschaft hatten sich am 1. bis 3. Oktober ca. 85 Menschen in der Waldorfschule München versammelt, um einen gemeinsamen, michaelischen Festakt zu begehen. Das Besondere: Es gab keine Zuschauer. Alle Teilnehmer*innen waren aktive Mitgestalter*innen. Und tatsächlich, jede und jeder hatte einen Kernsatz zum Thema Michael mitgebracht. Dieser wurde in Kleingruppen vertieft und anschließend an einer großen Tafel im Flur sichtbar gemacht. Aus diesen inneren Motiven entstanden weitere Gesprächsgruppen, ohne Moderation, selbstgestaltet und selbstverantwortet. Dann ging es am Samstagnachmittag um die künstlerischen Üb-Gruppen – von Eurythmie bis Sprache, von Sandbildern bis Aquarellmalen, von Musikimprovisation bis Klangexperimenten. Dazu eine Aufgabenstellung: Jede Gruppe bringt etwas ins gemeinsame Michael-Fest-Plenum mit, das am Abend stattfinden soll.
Der Festabend begann mit einer kleinen Eurythmie-Darbietung. Im Weiteren schloss eine Klangimprovisation mit verschiedenen Materialien an. Steine, Hölzer, Metalle wechselten sich ab. In diese Klangvielfalt hinein sprachen einige Teilnehmer*innen eine Auswahl der mitgebrachten „Michael-Kernsätze“. Nun folgten in improvisierter Reihenfolge die Darbietungen der verschiedenen Gruppen. Eine Michael-Bildergalerie entstand, ein Sandbild auf einem Tisch in der Mitte, Sprüche wurden rezitiert und immer wieder erklang der Raum durch musikalische Improvisationen. Eine Herausforderung: Da es kein festes Programm gab und durch eigene Geistesgegenwart neue Kompositionen und Wendungen entstehen konnten, entwickelte sich der Festabend zu einer über zweistündigen Konzentrations-, Lausch- und Aktionskunst. Irgendwie hatten alle Beteiligte die Zeit vergessen. Auch das gehört vielleicht dazu?
Am Sonntagmorgen erfolgte ein Blick in das Zeitgeschehen. Wolfgang Tomaschitz (Generalsekretär aus Österreich) zeigte auf, wie sich in unserer gesamtgesellschaftlichen Kultur michaelische Elemente entwickeln. Er beschrieb die sozial-ökologische Bewegung und stellte sie in ein Verhältnis der sehr viel kleineren Gruppe der anthroposophischen Bewegung und der noch kleineren Gruppe der „Michaelschüler“ im Sinne der Freien Hochschule. Aber die Welt wandelt sich. Das kleine ist immer größer und kulturwirksamer geworden.
Rik Ten Kate (Generalsekretär in den Niederlanden) erzählte vom Michaelfest in Holland. Dann zeigte er auf, wie im Umfeld der Anthroposophie im Umgang mit Geldprozessen neue Sozialformen in der öffentlichen Kulturwelt entstehen. Diese Beiträge erweiterten den Horizont zu einer verabredeten Aufgabe für die Zukunft: Im Jahr 2024 möchten wir ein Michaelfest in Dornach versuchen, an dem sich viele Länder und Kontinente beteiligen. (Wolfgang Tomaschitz, Rik ten Kate und Michael Schmock sind hier einige der Prozess-Gestalter). Dieses Michaelfest in München war in dem Sinne auch ein Auftakt zu einem „Welt-Fest-Versuch“ in drei Jahren.
Vielleicht schaffen wir ja nächstes Jahr in Deutschland auch noch einen weiteren Schritt zu einem Vorhaben, das eigentlich gar nicht zusammenpasst: Der Zusammenklang von individueller Freiheit und Eigeninitiative mit Gemeinschaftsbildung. „Michael ist eine Wesenheit, die eigentlich nichts offenbart, wenn man ihr nicht aus eigener, geistiger Arbeit von der Erde aus etwas entgegenbringt.“ Dieser Satz von Rudolf Steiner könnte ein Motiv sein, an dieser Michaelfest-Übung dranzubleiben – aus eigener, persönlicher, geistiger Arbeit und Initiative in eine gemeinsame Gestaltung, in einen Zusammenklang zu kommen. Hier geht es eben nicht um fertige Programme, sondern darum, offene Räume zu schaffen, das Beste zu geben und auszuhalten, wenn es noch nicht oder nur anfänglich gelingt. Diese drei Tage haben Mut gemacht, nächste Schritte zu wagen.
Michael Schmock | Generalsekretär der AGiD