INGOLF LINDEL: FORSCHUNGSSTIPENDIUM ZUM THEMA REINES DENKEN UND EURYTHMIE
Ingold Lindel Olivia Girard: Welches Thema haben Sie gewählt und warum, was interessiert Sie daran?
Ingolf Lindel: In meinem Forschungsanliegen verfolge ich die Absicht, das reine Denken und die Eurythmie-Bewegung miteinander zu verbinden und den darin vermuteten Erkenntnisgewinn zu beschreiben. Zugrunde liegt die Hypothese, dass im Zusammenführen von reinem Denken und der Eurythmie-Bewegung die Vorstellung und die leibbildenden Kräfte bei bestimmter Handhabung in der Sphäre des bildhaften Bewusstseins das Potenzial der Erkenntnis durch Imagination ergeben können. Mich interessiert dabei vor allem die Frage, ob und wenn ja wie das bildhafte Bewusstsein die Wirklichkeit erfasst und welche Rolle meine eigene bewusste Aktivität dabei spielt.
OG: In welchem Zusammenhang steht Ihr Thema zur Anthroposophie?
IL: Ich würde sagen, mein Thema ist ein genuin anthroposophisches, da ich mich auf Rudolf Steiners Weiterentwicklung der philosophischen Methode im Umgang mit Begriffen hin zum willentlich bewegten Denken (oder Vorstellen) in Bildern einerseits und anderseits auf die von ihm entwickelte Bewegungskunst der Eurythmie beziehe, die ihrerseits Ähnliches wie das reine Denken im Kopfbereich mit der Bewegung der Gliedmaßen ermöglicht – sie knüpft menschliche Bewegung wiederum an kosmische Bewegung an, und das ändert meiner Erfahrung nach, wie sich die Fantasiekräfte im Bilderbewusstsein offenbaren.
OG: Haben Sie durch die Beschäftigung mit Ihrem Thema schon interessante Ideen oder Perspektiven gefunden? Möchten Sie eine oder mehrere mit uns teilen?
IL: Grundsätzlich ist mir bisher klar geworden, dass eine klare Unterscheidung zwischen Vorstellung und Fantasie vorgenommen werden muss, sonst komme ich nicht weiter. So wie Wahrnehmung und Denken zum Zweck der Erkenntnis miteinander in Beziehung gebracht werden müssen, so auch die Fantasie und die Vorstellung. Erst dann ergibt sich das Potenzial einer imaginativen Erkenntnis, ansonsten verbleibt mir die Fantasie im Bereich des Künstlerischen und die Vorstellung im Bereich des Unwirklichen. Des Weiteren hat sich mir ergeben, wie ich meine Vorstellungen regelrecht wie ein Erkenntnisinstrument bilden muss, um Fantasieobjekte erkennen zu können – so, wie beispielsweise das Fernrohr entwickelt wurde, um weit entfernte Himmelsobjekte zu beobachten, muss ich meine Vorstellungen nach Richtlinien objektiven Wissens aufbauen, um mich durch sie dann den Objekten der Fantasie annähern zu können. Aber da gäbe es noch vieles zu berichten, das ist nur ein kleiner Anfang.
Ingolf Lindel, geb. 1989, Schüler der Waldorfschule und Student der Philosophie, Soziologie und Eurythmie in Kassel und Stuttgart. Tätig war er bisher in der Bühneneurythmie, der Kulturorganisation, der Pflege und der redaktionellen Arbeit. Begleitend absolviert er ein Masterstudium in Eurythmietherapie an der Alanus-Hochschule. Er lebt in Stuttgart.