„Ich bemerkte, dass das Stehen zwischen akademischer Wissenschaft, anthroposophischer Forschung und Kunst vor allem eines von mir fordert: Eigenwilligkeit.“
Lukas König zu seinem von der AGiD geförderten Forschungsprojekt über die „künstlerische Gebärde“.
Sebastian Knust: Warum hast Du Dein Thema gewählt, was interessiert Dich daran?
Lukas König: Ich bewegte mich die vergangenen zwölf Jahre in unterschiedlichen Zusammenhängen, aus denen mir das Wort „Kunst“ entgegenkam: im Theater, in der Pädagogik, im Therapeutischen und in der Kommunikation überhaupt. Es wird ja heute mit Vielem „verbunden“ oder „vermischt“. Bis in das Alltägliche und auch in die akademische Wissenschaft hinein reicht die Spur dieses Wortes. Worauf deutet es? Diese Frage zu klären und zu vertiefen war mein Anliegen. Dass es dabei um keine neue Theorie oder Definition geht, war für mich von Anfang an klar, dass ich die Frage mit Aktionismus nicht würde klären können, ebenfalls. Den künstlerischen Prozess als Tätigkeit ins Bewusstsein zu heben, das interessiert mich.
SK: In welchem Zusammenhang steht Dein Thema zur Anthroposophie?
LK: Genau genommen natürlich in jedem. Ich erforsche die künstlerische Gebärde mit schauspielerischen Mitteln. Wenn ich z.B. meinen Arm auf eine charakteristische Weise bewege, durch die eine Eigenheit meiner "Rolle" zum Ausdruck kommt, schließt diese Gebärde – ideal gesehen – das gesamte Spektrum meines Menschseins ein. Ich bin in dieser Gebärde. Was macht sie zu einer künstlerischen? Wahrnehmung und Gestaltung nähern sich da an. Steiners Hinweise zu den sogenannten „motorischen Nerven“ wären eine Spur. Sobald ich beginne, über all dieses nachzudenken, wird die „Philosophie der Freiheit" zur Frage, eine andere Spur. Schillers „Spieltrieb“ gibt einen prozesshaften Ausblick: Ich kann jetzt beginnen und erreiche den Horizont doch nie. Schiller gab Steiner ein methodisches Vorbild über das er hinausging. Für mich ist Schiller ein Schritt auf dem Weg zur Anthroposophie. Allerdings auf umgekehrtem Weg: Ich probiere nicht die „Ästhetischen Briefe" neu zu schreiben, sondern taste mich mit ihnen im Rücken in die unvollständige Wirklichkeit des Spielens im Schauspiel vor. Der bewusste Umgang mit meinen Gefühlen ist für mich dabei wichtig. Sie vermitteln zwischen Bewusstsein und Erleben, sie sind, wie auch der 'Spieltrieb', zutiefst menschlich. Steiners Vorträge über „Psychosophie" legen auch dazu Spuren.
SK: Hast Du durch die Beschäftigung mit Deinem Thema schon interessante Ideen oder Perspektiven gefunden? Möchtest Du eine oder mehrere mit uns teilen?
LK: Ja, diese: Ich bemerkte, dass das Stehen zwischen akademischer Wissenschaft, anthroposophischer Forschung und Kunst vor allem eines von mir fordert: Eigenwilligkeit. Diese aufzudecken, ist ein elementarer Bestandteil für meine Forschung geworden. Um meinen Weg durch die Fülle der „Spuren“ zu finden, die jeweils mit ihrer ganz eigenen „Signatur“ in den genannten Feldern in alle Himmelsrichtungen führen, brauche ich einen „Kompass“. Welcher Spur folge ich und wie weit? Wenn ich versuche, hier die "richtig" zu wählen, habe ich mich schon verlaufen. Ich brauche ja selbst zu „gehen“, erst dadurch kann ich mir meiner eigenen Schritte bewusst werden. Nur so kann ich meinen „Kompass“ kalibrieren. Erst dadurch kann ich zwischen den Feldern stehen und „lächeln“, obwohl mir „nichts als Spuren“ gegeben sind. Das meine ich mit: "Die Eigenwilligkeit aufdecken!"
Lukas König (30) absolvierte seine Schauspielausbildung am Michael Tschechow Studio Berlin. Er ist als freier Schauspieler, Theaterpädagoge und Seminarleiter europaweit tätig. Sein erstes Engagement führte ihn 2015/16 an die Schauspielbühnen in Stuttgart. In der Spielzeit 2017/18 gastiert er am Staatstheater Darmstadt. Er begleitet Theaterprojekte an Waldorfschulen, ist Dozent für Theater und Kommunikation u.a. in der Ausbildung von Heilerziehungspfleger*innen und Demeter-Landwirt*innen und ist in Coachings und Trainings u.a. für Führungskräfte in div. Unternehmen als Seminarschauspieler tätig. Lukas ist verheiratet und hat zwei Kinder.