In ruhigen Zeiten Gendergleichheit, in Notzeiten patriarchale Strukturen
Nachrichten des Frauenrats aus der Corona-Zeit
Der Frauenrat der Anthroposophischen Gesellschaft konnte sich, wie viele überregionale Arbeitszusammenhänge, während der Corona-Beschränkungen nicht treffen. Doch die Kommunikation ist allgemein eine Stärke der Frauen, und so sandten wir uns Online-Beiträge und Artikel zu, manchmal fast gleichzeitig dieselben. Es waren Nachrichten zu Corona aus Frauensicht.
Da mokierte sich Jana Hensel bei ”Zeit online” am 13. April 2020 darüber, dass es wohl eine ”Krise der Männer” sei. Neben dem blauen Himmel bringe die Krise zutage, wie sehr das Land von Männern dominiert sei: Chefärzte, Virologen, Ökonomen, Naturwissenschaftler. Und als sie auf Twitter fragte, ob es auch Virologinnen in Deutschland gäbe, erntete sie einen Shitstorm!
Am selben Tag legte Avivah Wittenberg-Cox bei Forbes dar, dass in Ländern mit von Frauen geführten Regierungen die Umstellung wegen Corona-Gefahr besser gelungen sei: in Deutschland, Neuseeland, Taiwan, Norwegen, Dänemark, Finnland und Island. Norwegens Premierministerin zum Beispiel beantwortete in einer Pressekonferenz nur für Kinder deren Fragen und erklärte ihnen ausführlich alles zu Corona. Marie Illner bekräftigte die Aussage von Wittenberg-Cox am 29. April bei Web.de und berief sich auf Erklärungen der Professorinnen Dr. Claudia Wiesner (Politik/Hochschule Fulda) und Dr. Barbara Holland-Cunz (Wirtschaft/Uni Gießen): Frauen käme jetzt zugute, dass sie Besonnenheit, ”eine ruhige Hand” und Geistesgegenwart stärker ausbilden mussten als Männer, um in Führungspositionen gewählt zu werden.
Es folgte am 22. April bei ”Zeit online” von sechs Frauen und einem Mann der Beitrag ”Die Krise der Frauen”. Denn weltweit litten Frauen stärker unter den sozialen und ökonomischen Folgen der Corona-Maßnahmen: Verschärfung ungleicher Situationen, Tendenz zum Rückschritt in traditionelle Rollen, Überlastung in Pflegeberufen. ”Frauen sind viel weniger weit, als wir gedacht haben”, resümierte Julia Jäkel (Geschäftsführerin von Gruner + Jahr) am 29. April in ”Die Zeit” bitter, nachdem die erste Dax-Konzern-Chefin Jennifer Morgan bei SAP entthront wurde mit dem Kommentar ”Der Konzern wünsche sich eine ”klare Führungsstruktur”. In ruhigen Zeiten Gendergleichheit, in Notzeiten patriarchale Strukturen! Das bestätigten sieben Berichte von Frauen in derselben Ausgabe. Elisabeth Raether spitzte es am 17. Mai bei ”Zeit online” fast sarkastisch zu: ”Frauen, seid dankbar”, dass ihr der ”deutschen Wirtschaft” mit unentgeltlicher oder unterbezahlter Arbeit aufhelfen dürft – regelmäßig auf Corona getestet werden jedoch nur die Bundesligaspieler.
Am 4. Juli 2020 konnte sich der Frauenrat der Anthroposophischen Gesellschaft wieder treffen. Da erfuhren wir, dass die Eurythmistin Margarete Kokocinski (Mannheim) mit einer Kollegin Eurythmie-Videos als Reaktion auf die Krise gedreht hat, die oft aufgerufen wurden. Sie zeigten Übungen zur ”Corona-Prophylaxe” und schufen ein ”Bildschirmerholungsgebiet” mit Übungen für die Augen, für die Blutzirkulation (bei mangelnder Bewegung) und zur Dreidimensionalität, da der Bildschirm auf Zweidimensionalität fixiert.
Sabine Hark, Professorin für Geschlechterforschung an der TU Berlin, plädierte in der ”Frankfurter Rundschau” vom 4./5. April für eine Ethik, die sich aus einem Denken in Beziehungen und dem Organismusgedanken im Sozialbereich speist, statt auf Kampf und Abschottung zu setzen. Katja Kipping (Partei Die Linke) breitete ebenda am 8. April viele Gemeinwohl-Ideen zur Abhilfe der Krise aus und die Schriftstellerin Siri Hustvedt schilderte am 14. April differenzierte seelische Beobachtungen aus New York. (Alle genannten Beiträge können beim Frauenrat bezogen werden.)
Barbara Messmer
Weiterführende Quellen
”Die Krise der Männer”, erschienen in ”Die Zeit”:
Frauenregierte Länder, erschienen in ”Forbes”:
Marie Illner, Talk-Besprechung auf ”Web.de”:
https://web.de/magazine/news/coronavirus/frauen-regierte-laender-coronakrise-34653912
”Die Krise der Frauen”, erschienen in ”Die Zeit”:
https://www.zeit.de/2020/18/coronavirus-pandemie-arbeit-frauen-bezahlung-ungleichheit
”Frauen seid dankbar”, erschienen in ”Die Zeit”: