Übungen des „Achtgliedrigen Pfades“
Fortsetzung der Online-Arbeitsgruppe zu Übungen von Rudolf Steiner
Die Idee einer Online-Arbeitsgruppe entstand schon im November 2020 aus dem Zweig- und Gruppentreffen im Rahmen der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland. In der Arbeitsgruppe beschäftigten wir uns zunächst mit den sechs „Nebenübungen“ Rudolf Steiners. Die aktive Übungspraxis schien uns gerade in der derzeitigen krisenhaften Weltlage sehr wichtig. Toleranz, Weltoffenheit, Vielfalt vorleben und sachgerecht darstellen können, reflexionsfähig sein, Multiperspektivität anwenden können – all diese menschlichen Fähigkeiten hat schon Rudolf Steiner im Hinblick auf die Übungen formuliert.
Diese Arbeit wollen wir nun mit den Übungen des sogenannten „Achtgliedrigen Pfades“ fortsetzen und laden zur Teilnahme ein. Dieser Übungskanon ist aus dem indischen Yoga entlehnt.
Dabei handelt es sich um ganz praktische Übungen für unsere menschliche Entwicklung, wie zum Beispiel: das Wesentliche von Unwesentlichem trennen zu lernen, Entschlusskraft und Standhaftigkeit auszubilden, die Bedeutung des Sprechens und des Wortes zu erkennen, Initiativen sinnvoll an unser Umfeld anzuschließen, das Leben als Möglichkeit zur Entwicklung zu begreifen, Übungen für unser Leben zu Gewohnheiten werden zu lassen, vom Leben zu lernen, Lebensgewohnheiten zu prüfen und neue Vorsätze zu fassen.
Ab Februar diesen Jahres soll die Reihe starten: Wer Lust hat zu üben, sei hiermit herzlich eingeladen. Das 1. Treffen ist am Sonntag, den 6. Februar 2022 von 10.30 bis 12.00 Uhr. Bitte anmelden bei:
Anke Steinmetz oder Heike Oberschelp
Heike.oberschelp @anthroposophische-gesellschaft.de
Anke.steinmetz @anthroposophie-bremen.de
Überblick über die Übungen des achtgliedrigen Pfades
Samstag
Auf seine Vorstellungen und Gedanken achten: Nur bedeutende Gedanken denken. Nach und nach lernen, in seinen Gedanken das Wesentliche vom Unwesentlichen, die Wahrheit von der bloßen Meinung, das Ewige vom Vergänglichen zu scheiden. Beim Zuhören der Reden der Mitmenschen versuchen, ganz still zu werden in seinem Inneren und auf alle Zustimmung, namentlich alles abfällige Urteilen (Kritisieren, Ablehnen) auch in Gedanken und Gefühlen, zu verzichten.
Dies ist die „richtige Meinung“.
Sonntag
Nur aus begründeter, voller Überlegung heraus, selbst zu dem Unbedeutendsten, sich entschließen. Alles gedankenlose Handeln, alles bedeutungslose Tun soll von der Seele ferngehalten werden. Zu allem soll man stets wohlerwogene Gründe haben. Man soll unbedingt unterlassen, wozu kein bedeutsamer Grund drängt. Ist man von der Richtigkeit eines gefassten Entschlusses überzeugt, so soll daran in innerer Standhaftigkeit festgehalten werden.
Dies ist das „richtige Urteil“.
Montag
Das Reden. Nur, was Sinn und Bedeutung hat, soll von den Lippen desjenigen kommen, der eine höhere Entwicklung anstrebt. Alles Reden um des Redens willen – zum Zeitvertreib – ist in diesem Sinne schädlich. Die gewöhnliche Art der Unterhaltung, wo alles bunt durcheinander geredet wird, soll vermieden werden. Dabei darf man sich nicht etwa ausschließen vom Verkehr mit seinen Mitmenschen! Gerade im Verkehr soll das Reden nach und nach zur Bedeutsamkeit entwickelt werden. Man steht jedem Rede und Antwort, doch gedankenvoll und nach jeder Richtung hin überlegt. Niemals ohne Grund reden, gerne schweigen. Man versucht, nicht zu viel und nicht zu wenig Worte zu machen. Zuerst richtiges Hinhorchen sich erarbeiten.
Das ist das „richtige Wort“.
Dienstag
Die äußeren Handlungen. Diese sollen nicht störend sein für unsere Mitmenschen. Wo man durch sein inneres Gewissen veranlasst wird zu handeln: sorgfältig erwägen, wie man der Veranlassung am besten entsprechen könnte, für das Wohl des Ganzen, das dauernde Glück der Menschen, das Ewige. Wo man aus sich heraus handelt, aus eigener Initiative: die Wirkung seiner Handlungen im Voraus auf das Gründlichste erwägen.
Man nennt das auch die „richtige Tat“.
Mittwoch
Die Einrichtung des Lebens. Natur- und geistgemäß leben, nicht im äußeren Tand des Lebens aufgehen. Alles vermeiden, was Unruhe und Hast ins Leben bringt. Nichts überhasten, aber auch nicht träge sein. Das Leben als ein Mittel zur Arbeit und zu hoher Entwicklung betrachten und demgemäß sich einrichten.
Man spricht in dieser Beziehung vom „richtigen Standpunkt“.
Donnerstag
Das menschliche Streben. Man achte darauf, nicht zu tun, was außerhalb seiner Kräfte liegt – aber auch nichts zu unterlassen, was innerhalb derselben sich befindet. Über das Alltägliche, Augenblickliche hinausblicken und sich Ziele setzen und Ideale bilden, die mit den höchsten Pflichten eines Menschen zusammenhängen. Zum Beispiel: im Sinne der angegebenen Übungen sich entwickeln zu wollen, um seinen Mitmenschen nachher umso mehr helfen und raten zu können. Wenn auch vielleicht nicht in allernächster Zukunft. Man kann das auch zusammenfassen in:
„alle Übungen zur Gewohnheit werden lassen“.
Freitag
Das Streben, möglichst viel vom Leben zu lernen. Nichts geht an uns vorüber, das nicht Anlass gibt, Erfahrungen zu sammeln, die nützlich sind für das Leben. Hat man etwas unrichtig oder unvollkommen getan, so wird das zum Anlass, es später richtig oder vollkommen zu machen. Sieht man andere handeln, so beobachte man sie zu ähnlichem Ziele (aber nicht mit lieblosen Blicken). Und man tut nichts, ohne auf Ereignisse zurückzublicken, die einem Hilfe sein können bei seinen Entscheidungen und Verrichtungen. Man kann von jedem Menschen lernen – auch von Kindern – wenn man aufmerksam ist.
Das nennt man „das richtige Gedächtnis“.
Zusammenfassung oder 8. Übung
Von Zeit zu Zeit tue man Blicke in sein Inneres, wenn auch nur fünf Minuten täglich zur selben Zeit. Dabei soll man sich in sich selbst versenken, sorgsam mit sich zu Rate gehen, seine Lebensgewohnheiten prüfen und bilden, seine Kenntnisse – oder auch das Gegenteil – in Gedanken durchlaufen, seine Pflichten erwägen, über den Inhalt und den wahren Zweck des Lebens nachdenken. Mit einem Wort: das Wesentliche, das Bleibende herauszufinden trachten und sich entsprechende Ziele, z.B. zu erwerbende Tugenden, ernsthaft vornehmen (Nicht in den Fehler verfallen und denken, man hätte irgendetwas gut gemacht, sondern immer weiter streben, den höchsten Vorbildern nach).
Man nennt diese Übung auch: „die richtige Beschaulichkeit“